
Auf dieser Etappe sollte endich mein lang gehegter Traum in Erfüllung gehen: Mit der Fähre von Villa San Giovanni nach Messina. Und der Zug kommt mit. Zwar fürs Erste nicht mit dem Nachtzug, aber 1) hat mich das nicht weiter interessiert, ob der Zug nun tags oder nachts fährt und b) sollte das ja noch kommen – obwohl ich es zu dem Zeitpunkt noch nicht wusste.
Da wir schon in Napoli waren und damit auf mehr als halbem Wege bis Sizilien, war ein „normaler“ Intercity die einfachste Lösung. Wir hätten auch mit der Frecciarossa fahren können, aber dann wäre der Zug an Land geblieben und wir hätten uns separat einschiffen müssen. Aber da Sizilien – zumindest aktuell noch und ich vermute auch in der näheren Zukunft – Freccia-frei ist, ist so ein Intercity die beste Lösung, wenn man sein Gepäck nicht unnötig durch die Gegend schleppen möchte.
Für alle, die es noch nie erlebt haben: So eine Fährfahrt mit dem Zug stellt das Personal schon vor Herausforderungen, da der Zug aufgeteilt werden muss und dann in Teilen verfrachtet wird. Auch die Gewichtsverteilung dürfte an Bord eine Rolle spielen. Für die Fahrgäste bedeutet das zunächst, dass die Reise sich durch die Verfrachtung deutlich verlängert. Und für uns hieß es ganz konkret, dass wir für ca. anderthalb Stunden ganz schön ins Schwitzen kamen, da der Zug wärend des Wartens auf den Verladevorgang keinen Strom hat. Und damit auch keine Klimaanlage. Und da es Mitte September beinahe 30° hatte, ist das schon eine kleine Herausforderung. WLAN gibt es in den italienischen Intercity-Zügen eh nicht, sonst wäre natürlich auch das weg gewesen.

Nach der final erfolgreichen Verladung konnten wir uns dann allerdings auf der Fähre den frischen Seewind um die Nase wehen lassen. Bei der Gelegenheit habe ich erfahren, dass die Reisenden sogar qua Gesetz angehalten sind, den in der Fähre eingeschlossenen Zug zu verlassen. Der Kontrolleur meinte zwar, das würde niemand nachhalten oder durchsetzen, aber sinnvoll erscheint es bei näherem Nachdenken schon. Wer möchte schließlich in einer in Seenot geratenen Fähre im untersten Deck in einem Zug eingeschlossen sein? Die Möglichkeit, sich aus einer derartigen Situation retten zu können, erscheint minimal. Wobei sich ohnehin niemand darüber täuschen sollte, dass die Straße von Messina seit Odysseus Zeiten als eine der gefährlichsten Meerengen weltweit gilt. Nicht umsonst haben die alten Griechen die Seeungeheur Skylla und Charybis genau hier angesiedelt. Schwimmen wäre also wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Auch wenn man bei einer sonnigen Überfahrt den Eindruck gewinnen kann, dass eine solche Möglichkeit durchaus im Bereich des Möglichen liegen könnte.

Die Einfahrt in den Hafen von Messina ist spektakulär, wird man dort doch von der Madonna dellaLettera empfangen, einem ca. 44 Meter hohen Standbild der Mutter Gottes mit der Inschrift:
Vos et ipsam civitatem benedico – Ich segne Euch und Eure Stadt.
Das Zitat geht auf eine Legende zurück, wonach Mitglieder der Gemeinde von Messina nach einer Missionsreise des Paulus im Jahre 42 zur damals noch lebenden Mutter Gottes nach Jerusalem gereist sind. Bei der Abreise gab sie diesen einen Brief („lettera“) mit, der genau diese Segnung enthielt und die Absicht, die Stadt ihrem Schutz zu unterstellen.

Nach ein wenig abschließendem Hin- und Her-Rangiere beim Ausladen, sind wir dann im Gegensatz zu fast allen anderen Reisenden in Messina Centrale für einen zweitägigen Aufenthalt ausgestiegen.
Messina selbst ist eine relativ kleine und auf den ersten Blick sehr aufgeräumte und wenig spektakuläre Stadt. Genau darin liegt allerdings auch das Besondere, wurde Messina doch 1908 von einem schweren Beben dem Erboden gleich gemacht und in den anschließenden Jahren in einem völlig „un-sizilianischen“ Baustil wieder aufgebaut. In der Tat ist das sonst an der Ostküste überall präsente Barock in Messina Fehlanzeige. Dafür begegnen dem aufmerksamen Reisenden zahlreiche Gebäude im Liberty-Stil, der italienischen Ausprägung des Jugendstils. Die Straßen und die Plätze sind großzügig und es herrscht auffallend wenig Gewusel – ganz im Gegensatz zu Städten wie Palermo oder Catania.


Sehenswürdigkeiten gibt es relativ wenige. Die bemerkenswerteste ist vermutlich der neben dem Dom stehende Campanile mit einem beeindruckenden Glockenspiel. Dieses Spektakel zieht jeden Tag pünktlich zur Mittagszeit auch die zahlreichen Kreuzfahrttouristen an, deren Schiffe im nur wenige Minuten zu Fuß entfernten Hafen vor Anker gehen. Das Schauspiel lohnt sich! Zunächst fängt ein ca. drei Meter hoher Löwe an, mit dem Schwanz zu wedeln, bevor er den Kopf in den Rücken wirft und in bemerkenswerter Lautstärke über den Platz brüllt. Und das Ganze gleich dreimal. Weitere Attraktionen im Ablauf sind ein krähender Hahn, eine aus dem Boden aufsteigende Kathedrale und diverse Figuren, u.a. ein den Takt gebender Sensenmann. Ach ja, und zum Aufstieg der Kathedrale von Montalto ertönt das Ave Maria von Schubert. Wer den Ablauf genau nachlesen möchte, kann sich übrigens hier informieren: Die mechanische Uhr Messina.
Ansonsten gibt es in Messina noch das Museo Regionale Accascina, welches – so zumindest die Autoren der Webseite Discover Messina – das größte Museum ganz Süditaliens sein und als „one of the most underrated places in the city and […] a must-see for art lovers“ gelten soll.
Laut Webseite und Reiseführer wäre dieses von Messina-City aus mit der Tram (!) zu erreichen gewesen. Welche nur leider schon seit ein paar Monaten nicht mehr fährt und vor 2026 wohl auch nicht wieder an den Start gehen wird. Für unseren arg kurzen zweitägigen Aufenthalt war uns das dann zu wuselig und wir haben schweren Herzens auf einen Besuch verzichtet.
Entschädigt haben wir uns dann mit ausgiebigen Besuchen bei I Parenti – Restaurant und Cocktail-Bar in unmittelbarer Nachbarschaft des Doms. Und nach meiner naturgemäß sehr subjektiven Meinung mit einer sehr schmackhaften Küche ausgestattet. Empfehlenswert!