Sizilien 2025 – 3. Etappe: Catania


Nach der sanften Einführung in sizilianische Verhältnisse in Messina sollte Catania dann die volle Dröhnung bieten. Aber dazu später mehr. Die Fahrt war zunächst einmal komplett unspektakulär. In ca. anderthalb Stunden sind wir für 19,40 € mit dem Regionale Veloce (in Deutschland mit dem Regionalexpress vergleichbar) von Messina nach Catania Centrale gefahren. Wenn ich sage „unspektakulär“, dann meine ich damit die Zugfahrt an sich. „Easy driving“ könnte man sagen. Ticketkauf völlig unkompliziert über die (hervorragende) Trenitalia App, Zug – wie in Italien üblich – pünktlich und modern, Klimaanlage und WLAN vorhanden und gut in Schuss.

Gar nicht „unspektakulär“ war allerdings die Aussicht, denn die Strecke führt am Meer entlang und man kommt unter anderem durch Taormina bzw. den dazugehörigen Bahnhof Giardini Naxos. Und eine Aussicht auf das maritime Juwel Isola Bella ist im Fahrtpreis mit inbegriffen 🙂

Aus dem fahrenden Zug aufgenommen (man achte auf die Lichter): Bei Taormina ein Blick auf Isola Bella mit der ikonischen zu Fuß begehbaren Landverbindung.

Der Bahnhof in Catania ist dann allerdings Kontrastprogramm. Grau und sehr, sehr viel Verkehr. U.a. ein fetter Kreisverkehr, den man als Fußgänger nur mit einiger Aufmerksamkeit überwinden kann. Genau dort mussten wir allerdings auf dem Weg zu unserem Hotel vorbei. Welches sich von außen auch eher schmucklos präsentierte. Innen erwartete uns dann allerdings eine Überraschung. Das Art&Jazz Hotel war definitiv die schönste Herberge während der ganzen drei Wochen. Absolut empfehlenswert! Und es war auch die einzige, wo es ein Frühstück gab, wie der nord-westlich sozialisierte Europäer es sich vorstellt, während ansonsten die Sache mit Cornetto – Caffè schnell erledigt war. Einziger Nachteil: Die etwas exzentrische Lage. Eine halbe Stunde Fußmarsch musste man bis ins Zentrum schon rechnen. Was v.a. abends nach ausgiebiger Nachtschwärmerei herausfordernd war. Dafür begrüßte uns im Zentrum dieser fröhliche Geselle: Liotru, das tierische Wahrzeichen Catanias.

Der Elefantenbrunnen in Catania: Ein schwarzer Elefant auf einem Marmorsockel, der auf seinem Rücken einen mit einem Kreuz geschmückten Obelisken trägt.
Liotru, das freundliche Wahrzeichen Catanias. Ein Elefant, dessen Ursprünge sich im Dunkel der Überlieferung verlieren.

Liotru besteht aus Basalt, also Vulkangestein, und ist mit seiner tiefdunklen Farbe typisch für Catania, wo das Lavagestein wirklich allgegenwärtig ist. Wie man auch sehr schön an dem Gebäude im Hintergrund mit seinem Hell-Dunkel-Muster erkennen kann. Auch der Elefantenbrunnen selbst (so der „offizielle“ Name, Fontana dell’Elefante) spielt mit diesem Chiaroscuro, welches man ja auch aus der Malerei kennt.

Die Geschichte rund um Liotru ist übrigens auch sehr spannend. Während der Brunnen als Gesamtanlage im Rahmen des Wiederaufbaus Catanias nach dem verheerenden Erdbeben von 1693 von Giovanni Battista Vaccarini zwischen 1735 und 1737 (also über vierzig Jahre später, aber eine ganze Stadt wieder herzurichten kann halt dauern), verlieren sich die Ursprünge des Elefanten in weit entfernten Epochen der sizilianischen Geschichte. Der arabische Geschichtsschreiber Idrisi würde die Entstehung sogar in der Epoche der karthagischen bzw. punischen Herrschaft verorten. Womit wir uns irgendwo zwischen dem 8. und 5. Jahrhundert vor Christus befinden würden. Genaueres lässt sich wohl nicht mehr herausfinden. Auf jeden Fall – alt! Der Name soll auf eine Verballhornung des Eigennamens Heliodor zurückgehen, eine legendäre Figur der frühchristlichen Jahre, welche zwischen Häretiker und Zaubermeister schillert. Einen Elefanten soll er genutzt haben, um darauf von Catania nach Konstantinopel zu reisen. Legendär, spannend und unbedingt sehenswert.

Ich habe bereits angedeutet, dass in Catania das Lavagestein allgegenwärtig ist. Ein besonders schönes Exemplar bekamen wir auf dem Weg von der Altstadt zur „schwäbischen“ Festung präsentiert:

Ein Lavablock mitten in der Stadt. Eine Erinnerung inmitten des brodelnden Lebens, dass Catania im Laufe seiner Geschichte immer wieder von vulkanischen Urgewalten erschüttert und geradezu umgepflügt wurde.

Man sieht es vielleicht nicht so direkt, aber da liegt ein ganz ordentlicher Trumm Basalt mitten in der Stadt. Noch beeindruckender wird der, wenn man sich vorstellt, dass er aus einem Ausbruch des Ätna stammt, der doch relativ weit entfernt liegt. Und die etwas später umrundete schon erwähnte „schwäbische“ Festung, das Castello Ursino, setzt dem Ganzen dann noch die Spitze auf, wenn man weiß, dass diese ursprünglich direkt am Hafen erbaut wurde und heute hunderte Meter vom Meer entfernt liegt, da ein Lavastrom 1669 die sehr massiv gebaute Festung „umspült“ und hinter ihr neues Land geschaffen hat. Eine Illustration der Gewalten, die hier am Werk sind und die man sich – oder ich zumindest – trotz der überall präsenten Hinterlassenschaften nur schwer vorstellen kann. Nachdem der Rundgang uns die Augen geöffnet hatte, ist uns übrigens auch aufgefallen, dass sogar unsere Unterkunft auf den Überresten eines Lavastroms erbaut wurde. Wie gesagt – allgegenwärtig.

Abendstimmung am Castello Ursino – Blick aus der Bottega Sveva drink e food auf die Festung und den Abendhimmel.

Wenn ich hier übrigens schon mehrmals von „schwäbisch“ gesprochen habe, sollte man dabei nicht an Käsespätzle oder Zwiebelkuchen und Federweißen denken, sondern an Friedrich II. aus dem Adelsgeschlecht der Staufer, welches mit seinem Stammsitz aus Schwaben („Svevia“ auf Italienisch) stammt. Besagter Friedrich war in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts König von Sizilien und hat in den ca. 50 Jahren bis zu seinem Tod gefühlt ganz Süditalien mit Festungen überzogen. Deren berühmteste sicher das achteckige Castel del Monte in Apulien ist. Gestorben ist er 1250 und begraben wurde er in der Kathedrale von Palermo. Dazu aber an anderer Stelle mehr.

Catania ist trotz des ersten nicht unbedingt vorteilhaften Eindrucks eine tolle und wirklich sehenswürdige Stadt, in der wir ein paar sehr schöne Tage erlebt haben. Und auch das Essen kam nicht zu kurz. Nach dem obligatorischen Spritz in der Altstadt gab es ein letztes Abendessen direkt gegenüber des Castello Ursino. Das Bild wurde übrigens am 22.09. um ca. 19:15 Uhr aufgenommen und illustriert sehr schön, dass es in diesen südlicheren Gefilden schon recht früh dunkel wird.

Wie man ebenfalls auf dem Bild sehen kann, bewegen sich die Preise für einen Spritz auf dem Niveau, welches wir bereits 2019 in Neapel als für uns erstrebenswerte Obergrenze definiert haben. Unnötig zu erwähnen, dass wir uns – nach dem Spritz im Zentrum – in der Bottega Sveva (!) drink e food vor dem Tagliere einen weiteren gegönnt haben. Das Lokal ist übrigens mit seinem Blick auf die Festung und seinem wirklich Top-Personal eine absolute Empfehlung.

Was unbedingt auch noch erwähnt werden muss, insbesondere da ich schon vom ersten Eindruck rund um den Bahnhof berichtet habe, wo grau die vorherrschende Farbe ist: Neben dem vulkanischen Schwarz ist Catania an vielen Stellen auch eine sehr farbenfrohe Stadt, insbesondere im Zentrum in den kleinen Sträßchen zwischen der Piazza del Duomo und dem Castello. Tolle Farbakzente setzen – insbesondere natürlich vor dem strahlend-blauen mediterranen Himmel – die ikonischen Regenschirme. Die man übrigens auch im Art&Jazz Hotel wiederfindet.

Die Regenschirme sind in Catanias Flanier- und Amüsiermeile in den kleinen Sträßchen und Gassen hinter der Piazza Duomo allgegenwärtig. Was soll man bei ca. 300 Sonnentagen im Jahr auch anderes damit anfangen als sie als Straßenschmuck aufzuhängen?

Zahlreiche Gebäude sind auch von einer farbenfrohen Blütenpracht umrankt, was uns insbesondere in den kleinen weiter oben schon angesprochenen Sträßchen aufgefallen ist:

Blumenpracht in der Via Auteri, zwischen Piazza Duomo und Castello Svevo.

Neben der ganzen Farbenpracht hat Catania natürlich auch andere Highlights zu bieten, z.B. die der Stadtpatronin Sankt Agata gewidmete Kathedrale, die von außen im barocken Glanz erstrahlt, während das Innere eher neoklassisch nüchtern daherkommt:

Barocke Pracht in schwarz (Lava) weiß (Marmor). Mit grünen Farbakzenten aus dem benachbarten Park. Die daran erinnern, dass Catania bei weitem nicht nur Stein und Mauern ist.

Bei dieser Gelegenheit übrigens ein großes Dankeschön an das Team bei Google, welches die Bildbearbeitung der Pixel-Smartphones mit dem einfach nur gigantischen „magischen Radiergummi“ ausgestattet hat. Ansonsten wären nämlich zahlreiche Passanten auf dem Bild gewesen, was man mit Blick auf DS-GVO & Co. vermeiden sollte.

Da besagte Agata eine sehr beliebte Schutzpatronin zu sein scheint, gibt es auf engstem Raum – nämlich so quasi auf der anderen Straßenseite – eine weitere ihr geweihte Kirche, die Chiese della Badia di Sant’Agata, also die Abteikirche. Diese hat die Besonderheit, dass man hier der Heiligen sozusagen aufs Dach steigen kann. Um von dort zum Beispiel sehr schöne Fotos zu schießen wie hier den Blick über die Stadt auf den Hafen:

Ja, Catania liegt tatsächlich am Meer. Trotz Fischmarkt kann man das zwischen den Gebäuden schon mal vergessen. Aber der Blick von der Badia di Sant’Agata beweist es. Auf der anderen Seite hätte man den Ätna sehe können, aber der war – wieder mal – hinter Wolken verhüllt.

Auf diesem Blick nach Osten wird noch einmal sehr schön deutlich, wie nahe Catania am Meer liegt. Das kann man nämlich in den Straßen und zwischen den Gebäuden und trotz des weltberühmten Fischmarktes tatsächlich mal vergessen, so gefangen ist der Blick von Steinen und Kirchen.

Catania ist definitiv ein lohnendes Reiseziel für mehr als nur ein paar Tage. Daneben haben wir Catania aber auch deswegen als Etappe gewählt, weil es für uns Ausgangspunkt für zwei große Ausflüge war:

Diese beiden Trips haben allerdings so viele Impressionen hinterlassen, dass ich mich dazu entschlossen habe, diesen je einen eigenen Artikel zu widmen.