
Bei der Vorbereitung unseres Trips nach Sizilien bin ich irgendwann auf die Villa Romana del Casale und ihre weltberühmten Mosaiken gestoßen. Darunter die ikonischen Bikinimädchen, die mich tatsächlich ganz besonders in ihren Bann gezogen haben. Aber vor die Villa und ihre Pracht haben die Götter erst eine Zug- und dann eine Busfahrt gesetzt. Und auf Grund eines kleineren Planungsfehlers meinerseits (Nein, es gibt keine direkte Busverbindung von Siracusa nach Piazza Armerina!) ging es zunächst zurück nach Catania und von da weiter mit dem Bus.
Hier für alle künftigen Reisenden eine Anmerkung, die zumindest für die nächsten Jahre ihre Gültigkeit behalten dürfte: Bis auf die Strecke Palermo – Agrigent ist das Innere Siziliens mit Zügen zurzeit nicht verlässlich bzw. gar nicht befahrbar. Vor ein paar Jahren war es Lucie Tournebize noch möglich, mit dem Zug von Ragusa nach Enna zu fahren und von dort nach Catania. Diese Verbindung wird aktuell nicht bedient, da entlang der alten Strecke im Rahmen eines Hochgeschwindigkeitsprojekts, welches Palermo über Catania mit Messina verbinden soll, eine neue Trasse gebaut wird.
Auf der Projektseite der Ferrovie dello Stato kann man sich eine Projektbeschreibung anschauen und erhält einen Überblick über die verschiedenen Bauphasen und die voraussichtlichen Fertigstellungsdaten. Grob gesagt bewegen diese sich zwischen 2025 und 2030. Und aktuelle Fahrplanauskünfte über Trenitalia zeigen überall Schienenersatzverkehr an. Ich würde also empfehlen, für geplante Reisen durchs Innere Siziliens bereits vorab – und dann permanent – Auskünfte einzuholen. Das heißt allerdings nicht, dass man auf die Reisen verzichten sollte. Städte im Inneren Siziliens sind sehr gut über Fernbusse erreichbar und auf Grund der mäßigen Entfernungen nimmt eine solche Fahrt auch nicht länger als zwei bis drei Stunden in Anspruch. Also auch für den hartgesottensten Zugmenschen machbar 😉
Der erste Teil der Strecke (Siracusa – Catania) war aus der Anfahrt bereits bekannt und dieses Mal ähnelte der Zug auch nicht einer fahrenden Tiefkühltruhe. Da wir in Catania ein paar Stunden Zeit bis zur Abfahrt unseres Busses hatten, sind wir bei einem sehr nahe am Bahnhof gelegenen Inder eingekehrt. Wo man übrigens auch sein Gepäck aufbewahren lassen kann, falls ein Ausflug in die Stadt geplant ist. Da wir diesen schon hinter uns hatten und die Zeit gut passte (von ca. 12:00 bis 14:30 Uhr) haben wir uns für eine gute und günstige Mahlzeit im Delhi Indian Restaurant entschieden. Die perfekte Mittagspause vor der Weiterfahrt.
Für die anschließende Busfahrt hatten wir uns für das Unternehmen Interbus entschieden, welches als einziges eine Direktverbindung nach Piazza Armerina im Angebot hatte, die zudem mit einer Fahrtzeit von gut anderthalb Stunden und einem Preis von 18,80 € für zwei Personen sehr überschaubar und günstig war.
Hier eine kurze Anmerkung zum Busbahnhof in Catania. Auf der Seite in Google Maps finden sich einige überraschend schlechte Kritiken. Ich denke, dass diese mehr über die Unsicherheit der Verfasser sagen, als über die Situation vor Ort. Der Standort ist sicher nicht der malerischste der Stadt, aber fehlenden Glamour macht er durch Übersichtlichkeit wett, die eine schnelle Orientierung erlaubt. Einfach zwei, drei Minuten Zeit nehmen, um die Abläufe zu verstehen. Ansonsten gibt es einen Fahrkartenschalter, wo Last-Minute-Tickets gekauft und Fragen gestellt werden können. Und für alle, die vom Zug umsteigen, ist die Lage fünf Minuten zu Fuß von Catania Centrale ideal.

Die Fahrt verlief ruhig und bot nach der bisher erlebten Küstenlandschaft eine interessante Abwechslung. Ich hätte z.B. nicht gedacht, dass das Innere Siziliens so grün und hügelig sein würde.
Gegen 16:00 Uhr setzte der Bus uns nur wenige Meter von der gewählten Unterkunft ab: La Stazione, dem in ein B&B umgebauten ehemaligen Bahnhof Piazza Armerinas. Einerseits natürlich traurig (ehemaliger Bahnhof), aber andererseits eine tolle Erfahrung, da die Besitzer den Eisenbahncharme weidlich ausgenutzt haben. Definitiv eine der schönsten Herbergen auf unserer dreiwöchigen Reise. Wenn auch nicht die ruhigste. Das direkt neben La Stazione befindliche Restaurant / Bar The Twins scheint ein bei der örtlichen Jugend extrem beliebtes Watering Hole zu sein, vor und neben dem die halbe Nacht gefeiert wurde.
Für den Ausflug zur ca. fünf Kilometer entfernten Villa Romana del Casale war La Stazione perfekt gelegen. Eigentlich. Direkt vor der Haustür sollte nämlich ein Shuttlebus abfahren. Dieser kam allerdings trotz gegenteiliger Behauptungen im Fahrplan nicht, sodass wir schon unsere Felle bzw. die über GetYourGuide gebuchte Führung davonschwimmen sahen. Allerdings sprach uns ein wie sich herausstellte wirklich sympathischer Einwohner an und bot uns an, für 15 Euro zur Villa und wieder zurück zu fahren. Teurer als das Shuttle, aber im Gegensatz zu diesem fuhr er auch wirklich. Und eine kleine Tour durch das Städtchen – welches nämlich auch neben der Villa noch einiges zu bieten hat – war auch noch drin. Am nächsten Tag, während wir auf unseren Bus nach Palermo warteten, sahen wir das Shuttle dann übrigens. Es existiert also. Keine Ahnung, ob man die Fahrt vorab reservieren muss. Im Zweifelsfall kann man aber die sehr hilfsbereiten Gastgeber der Stazione fragen.
Nach so viel Einleitung nun aber zum eigentlichen Grund des Abstechers ins Innere der Insel: Die Villa Romana del Casale. Das Anwesen ist sehr ausgedehnt, aber – im Gegensatz zu Pompeji – in wenigen Stunden einigermaßen zu erschließen. Und womit ich nicht unbedingt gerechnet hatte: des Tourismus fette Beute. Erst im Nachhinein bin ich darauf gekommen, wie sich das Phänomen erklärt. Außerhalb der Villa waren nämlich außer uns zumindest keine auf den ersten Blick erkennbare Touristen unterwegs. Allerdings werden von den großen Städten (Palermo, Taormina, Catania, Siracusa) aus Touren angeboten, die auf Grund der vergleichsweise geringen Entfernungen an einem halben Tag gut zu bewältigen sind. Und den von weither Angereisten (wir haben neben den zahlreich vertretenen Nordamerikanern auch Australier und Neuseeländer getroffen) können Distanzen von ein paar Stunden natürlich nicht schrecken. Auf Nachfrage sagte mir unser Tourguide übrigens, dass die beste Zeit für ungestörte Besichtigungen Dezember bis Februar sei. Wer also nicht unbedingt in der warmen bis heißen Jahreszeit verreisen möchte…
Die Villa wurde vermutlich im 3. und 4. Jahrhundert im Auftrag einer sehr hochgestellten Persönlichkeit der Tetrarchie erbaut. Eine eindeutige Zuordnung ist zwar bislang nicht gelungen, aber einige Indizien deuten auf den Mit-Kaiser des Diokletian, Maximianus. Wer auch immer es gewesen sein mag, es war mit Sicherheit eine Persönlichkeit aus dem Kreise der einflussreichsten römischen Familien. Allein für die Anfertigung der handwerklich hervorragenden sehr zahlreichen (allein der Gang der großen Jagd ist über 65 Meter lang!) Mosaiken müssen bereits Unsummen an Geld geflossen sein. Ein weiteres Zeichen für die Stellung des Besitzers ist die Basilika, die an nichts so sehr wie an einen Thronsaal erinnert, etwa an die Konstantinsbasilika in Trier. Maximianus hat übrigens in seiner Zeit als Tetrarch in Trier residiert, kannte das Gebäude also aus eigener Anschauung.

Vielleicht kommt es auf dem Foto der Aula nicht wirklich rüber, aber wenn man mitten in dem riesigen Raum steht, wird man von der Architektur fast erschlagen. Shock and awe, wie der Amerikaner sagen würde, eine regelrechte Inszenierung der Macht, unterstützt von der atemberaubenden Pracht der allgegenwärtigen Mosaiken. Trotz aller vorbereitenden Lektüre und Studien hätte ich mit einem solchen Effekt nicht gerechnet. Zumal auf Grund der Präsentation und der Enge (mindestens fünf weitere Gruppen waren gemeinsam mit uns unterwegs) wenig Zeit und Raum für eingehende Betrachtung blieb. Und auf Grund der Besucherführung über Laufstege war es sehr schwierig Fotos zu schießen, die zumindest eine grobe Idee der Anlage vermitteln könnten. Gerade die riesigen Mosaiken waren nicht annähernd angemessen abzulichten. Ich denke, die Villa ist das perfekte Objekt für einen richtig teuren Bildband. Anders ist es wohl kaum möglich, sich deren Opulenz angemessen zu erschließen. Es ist übrigens auch möglich, die Villa auf eigene Faust zu erschließen. Audioguides dafür sind im Empfangsgebäude erhältlich. Evtl. ist es bei einer solchen Individualtour ja möglich, sich zwischen die Gruppenslots zu schieben und so zumindest ein wenig freies Feld zu haben.
Hier aber zwei zumindest etwas besser gelungene Fotografien, zunächst die so genannte Kleine Jagd und dann endlich die bereits öfters erwähnten Bikinimädchen:

Wie man gut sieht ist die Perspektive nicht ideal, um einen Gesamtblick zu ermöglichen. Immerhin konnte ich das gesamte Mosaik aufnehmen und nicht bloß ein Detail.
Noch etwas besser ist mir dies wohl bei den Bikinimädchen gelungen. Das war allerdings auch das Motiv, welches ich unbedingt als Erinnerung haben wollte, von daher war ich sehr motiviert bei der Wahl des am besten geeigneten Standorts.

Die Entscheidung für den Abstecher nach Piazza Armerina war auf jeden Fall die richtige. Diese Villa muss man einfach gesehen haben, wenn man auch nur einen Hauch an antiker und römischer Geschichte und Zivilisation interessiert ist. Zumal die Zeit der Tetrarchen und ihrer Nachfolger (spätes drittes bis viertes Jahrhundert n. Chr.) mich seit der großen Trierer Ausstellung zu Konstantin dem Großen komplett in ihren Bann geschlagen hat. Und eine bessere Illustration der Pracht, zu der auch die römische Spätzeit noch fähig war, kann man sich kaum vorstellen.
Neben der Antike hat Piazza Armerina allerdings auch einige „neuere“ Sehenswürdigkeiten zu bieten, die wir allerdings nur von außen sehen konnten, darunter zahlreiche Kirchen und eine sehr malerische Lage auf einem Hügel. Von dem aus man einen wunderbaren Ausblick auf das umliegende Land hatte:

Vor der Abreise nach Palermo haben wir noch einen sehr schönen Abend in Piazza Armerina verbracht, wo wir eine gemütliche Bar gefunden haben, in der man uns auf Angenehmste zu verwöhnen wusste 🙂
